Themenwoche „Auszeit vom Alltag“ (1)

Für Landwirt Andreas Westermann sind die Berge ein echter Fluchtpunkt

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Sommer, Sonne, Meer oder Berge: In diesen Wochen entfliehen viele Menschen dem Alltag, um die Seele baumeln zu lassen. Wer arbeitet, hat Anspruch auf Auszeiten. Aber, Urlaub vom Kuh- oder Schweinestall: Können auch Landwirte verreisen?

„Bauern brauchen Urlaub, mehr denn je“, sagt Andreas Westermann. Der 49-jährige Diplom-Agraringenieur betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Ennigerloher Bauerschaft Beesen. Er bewirtschaftet 150 Hektar Acker, ist Ferkelaufzüchter und Schweinemäster. In dem Familienbetrieb wird er von einem Mitarbeiter, Ehefrau Britta sowie seinen Kindern (11 bis 16 Jahre) unterstützt. „Selbstverständlich greifen alle mit ins Rad“, so Westermann, der seit drei Jahren als Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Warendorf auch im Ehrenamt gefordert ist.

Andreas Westermann kann sich nicht erinnern, als Kind mit seinen Eltern verreist zu sein. Doch seit er verheiratet ist und selbst Kinder hat, hat sich das geändert. „An erster Stelle steht die Familie, an zweiter Stelle die Tiere und dann alles andere“, macht er klar.

Tierhalter, Buchhalter, Qualitätsmanager

Themenwoche „Auszeit vom Alltag“
Viele Menschen fahren in diesen Wochen in den Urlaub. Einfach mal ausspannen, die Seele baumeln lassen. Doch was ist mit einem Landwirt, einem Manager, Mönch, Piloten oder einer Mutter? Kirche+Leben hat nachgefragt: Brauchen auch Sie eine Auszeit?

Dank der Automatisierung in der Landwirtschaft hat die körperliche Arbeit abgenommen. Dafür, so Andreas Westermann, seien durch den Strukturwandel neue Tätigkeitsfelder entstanden. „Heute muss ich ein guter Ackerbauer, guter Tierhalter und Buchhalter sein. Zudem bin ich für das Qualitätsmanagement zuständig“, kritisiert er die zunehmenden Belastungen für eine Person, die heute Manager und Unternehmer sein müsse.

Aufgaben, für die in Firmen ganze Abteilungen zuständig seien. „Aber als Bauer kenne ich das nicht anders und bin damit groß geworden.“
Wenn er sich mal eine Woche aus dem Betrieb herausziehen wolle, brauche er eine Vertretung. Im Winter öffnet sich ein kleines Zeitfenster, wenn die Feldarbeit ruhe. Die Urlaubsplanung erfordere mehrere Tage Vor- und Nacharbeiten. In der Abwesenheit des Chefs kümmert sich der Mitarbeiter um die Tiere. Familie Westermann zieht es regelmäßig in die Berge nach Österreich zum Skifahren. „Es tut gut, mal rauszukommen. Denn richtig abschalten kann ich nur, wenn ich wegfahre.“

Ernte läuft auf Hochtouren

In diesen Wochen ist an Tapetenwechsel nicht zu denken, denn die Ernte läuft auf Hochtouren. Es ist die Hauptarbeitszeit für die Bauern. Manchmal versuchen die Westermanns je nach Beginn oder Ende der Sommerferien für ein paar Tage auszuspannen. Aber erst muss die Ernte unter Dach und Fach sein. Das werde ganz spontan entschieden, berichtet der Landwirt. Die beiden jüngsten Kinder, Max und Lisa, sind mit der Gemeinde St. Jakobus im Ferienlager. Marieke, die Älteste, macht in den Ferien ihren Trecker-Führerschein.

Arbeiten bis zur Erschöpfung? Dazu der Druck aus der Politik (mehr Natur- und Tierschutz, strengere Düngeregeln, Bürokratisierung) und die Erwartungen der Gesellschaft an die Landwirtschaft: Dass Landwirte gegen weitere Zumutungen demonstrierten, sei verständlich. „Viel Arbeit, oft finanzielle Sorgen und dazu Kritik aus der Gesellschaft - viele Berufskollegen stehen unter Druck“, weiß der 49-Jährige.

Häufig von Burnout betroffen

Landwirte gehören inzwischen zu den am häufigsten von einem Burnout betroffenen Berufsgruppen. „Ich wünsche mir mehr Respekt und Akzeptanz für unseren Berufsstand“, betont der Landwirt. „Wir wollen Gottes Schöpfung erhalten und nicht zerstören.“

Eine gute Ernte sei immer ein Grund zur Dankbarkeit und nicht selbstverständlich. „Denn wie kaum ein anderer Sektor in unserem Wirtschaftssystem ist die Landwirtschaft vom Wetter abhängig. Wenn es gut gelaufen ist, dann danke ich unserem Herrgott“, sagt Westermann abschließend.

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